Von Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der GLS-Bank
Weltweit wird weiterhin versucht, mit öffentlichen Mitteln Banken zu stabilisieren. Das ist notwendig, um weitere Panikreaktionen zu verhindern, die den bereits vernichteten Vermögenswerten von vierzig Billionen Euro (laut Asiatischer Entwicklungsbank) noch folgen könnten. Mit der gleichen Intensität müsste die Politik jetzt eine Neuordnung der Finanzmärkte betreiben, ansonsten verstärken die schon ergriffenen Maßnahmen nur die Ursachen des Crashs und führen zu noch größeren Krisen. Hier einige Vorschläge zur Verbesserung des Ordnungsrahmens der Finanzmärkte.
Die Pakete zur Stabilisierung der Banken sind alternativlos, aber sie können eben nur etwas gegen die Symptome ausrichten. Nur die konsequente Veränderung des ordnungspolitischen Rahmens könnte die Risikoübernahme durch die Staaten im Nachhinein legitimieren. Oberstes Ziel aller Handlungen sollte die Fokussierung der Finanzwirtschaft auf ihr eigentliches Kerngeschäft sein: die Finanzierung der Realwirtschaft. Dazu sechs Punkte:
1. Differenzierter Umgang mit Regulierung
Das klassische Bankgeschäft mit der direkten Kundenbeziehung zwischen Einleger und Bank auf der einen Seite und Kreditnehmern und Bank auf der anderen Seite zeigt sich in der momentanen Krise als der eigentlich stabilisierende Faktor des Marktes. Dieses der Realwirtschaft unmittelbar dienende Bankgeschäft ist in den letzten zehn Jahren allerdings unter Druck geraten, sowohl was die Struktur der Geschäfte als auch was die Zinsmargen angeht. Im gleichen Zeitraum hat die Regulierung der klassischen Bankgeschäfte in fast jährlichem Rhythmus zugenommen. Von der dadurch verursachten Bürokratisierung bei entsprechendem Kostendruck waren insbesondere Banken in der Größenordnung der Sparkassen und Genossenschaftsbanken betroffen. In diesem klassischen Bankgeschäft ist insofern eher eine Deregulierung notwendig.
Einige Finanzinstrumente, zum Beispiel die Derivate, dienen der Realwirtschaft mittelbar, zum Beispiel durch die Absicherung von Zinsänderungs- und Währungsrisiken. Solche Instrumente sind sinnvoll und notwendig, um ungleichgewichtige Risiken der unterschiedlichen Finanzmarktteilnehmer auszugleichen und im einzelnen Institut steuerbar zu machen. Allerdings ist eine Abgrenzung zu rein abstrakten, nicht der Realwirtschaft dienenden Instrumenten schwierig. Insofern ist gerade in diesem Bereich eine verstärkte Regulierung, Standardisierung und Kontrolle erforderlich. Finanzprodukte und Finanzunternehmen, die nur dem Selbstzweck dienen, durch Spekulation Geld mit Geld zu verdienen, sollten schlichtweg verboten werden. Diese Aktivitäten setzen auf tatsächliche, vermutete und oft selbst beeinflusste oder sogar verursachte Preisänderungen beim Handel von Devisen, Aktien, Immobilien oder Rohstoffen. Die Ursache der momentanen Finanzkrise ist im Wesentlichen in diesem Bereich zu finden. Dazu gehören beispielsweise Leerverkäufe, das Verleihen von Aktien und andere Tätigkeiten von Hedgefonds, der Handel mit verbrieften Kreditforderungen und anderes mehr.
2. Beschränkung der Größe einzelner Banken
Finanzinstitute oder spezielle Produkte dürfen in ihrer absoluten Größe oder Struktur weder global noch national systemgefährdend sein. Begrenzende Kennziffern sind gefragt, wie etwa das maximale Verhältnis der Bilanzsumme einer Bank zum Bruttosozialprodukt eines Landes. Die Daumenregel « too big to fail » hat Institute bisher dazu angeregt, überproportional zu wachsen und zugleich extreme Risiken in Kauf zu nehmen. Aus dem Geschehen in Island hätten Lehren gezogen werden müssen und Finanzdienstleister hätten ihre Größe, Geschäfts- und Risikopolitik überdenken sollen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, wie die Fusion von Commerzbank und Dresdner Bank beweist. Bereits eine der beiden Großbanken kann bei einem Zusammenbruch systemgefährdende Auswirkungen haben. Fusioniert man nun beide Banken, vergrößert man möglicherweise das Problem. Kooperation, nicht Konzentration stabilisiert den globalen Markt.
3. Erfassung der Vermögensinflation
Bei den Vermögenswerten, insbesondere bei Grund und Boden, Immobilien, Aktien und Rohstoffen, war bis zum Ausbruch der Krise eine enorme Inflation zu beobachten. Die extremen Wertschwankungen haben zu erheblichen realwirtschaftlichen Verzerrungen geführt, beispielsweise zu einer oft maßlosen Verteuerung von Wohnraum oder zu Hunger durch gestiegene Nahrungsmittelpreise. Es besteht seit vielen Jahrzehnten eine globale Übereinkunft, dass Inflation bei Gütern und Dienstleistungen bekämpft und durch unabhängige Notenbanken gemessen, kontrolliert und gesteuert werden soll. Es ist dringend erforderlich, dass für die Inflation bei den Vermögenswerten Vergleichbares geschieht.
4. Rating-Agenturen und Transparenz
Rating-Agenturen sollten nicht mehr in die Entwicklung von Finanzprodukten eingebunden werden. Zudem sollten sie verpflichtet sein, neben der monetären Bonitätsprüfung auch Aussagen darüber zu machen, wie Investitionen realwirtschaftlich verwendet und welche sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen dabei berücksichtigt werden. Dieser Regelung muss eine entsprechende Transparenzverpflichtung für Banken und Finanzinstitute gegenüberstehen.
5. Offshore-Finanzplätze
Die Offshore-Finanzplätze müssen geschlossen bzw. ausgegrenzt oder in einen neuen Rahmen eingebunden werden.
6. Bildungs- und Aufklärungskampagne
Um eine Kehrtwende am Finanzmarkt zu bewirken, sind nicht nur Politik und Finanzinstitute gefragt, sondern auch ein kritisches Bewusstsein der Kunden, das neben kurzfristigen, rein renditeorientierten Anlagekriterien auch nachhaltige ökonomische wie soziale und ökologische Entwicklungen berücksichtigt. Eine breit angelegte Aufklärungskampagne könnte dazu beitragen.
Dass die vorrangig kapitalorientierte Marktwirtschaft soziale und ökologische Probleme verursacht, ist bereits in den letzten Jahrzehnten deutlich geworden. Ihre ökonomische Leistungsfähigkeit galt allerdings bislang als unstrittig. Mittlerweile ist deutlich, dass auch aus ökonomischen Gründen eine Neuordnung erforderlich ist. Dazu ist der gängige Leitsatz « Was der Wirtschaft dient, ist auch gut für den Menschen » zu ändern in « Nur was dem Menschen dient, ist Aufgabe der Wirtschaft ». Die Zuspitzung der Armutskrise, der Klima- und Finanzmarktkrise bietet eine einmalige Chance, wenn der Ordnungsrahmen entsprechend verbessert wird. Es gibt bereits eine Vielzahl sinnvoller Beispiele und Lösungsvorschläge sowohl zum Finanzmarkt, zur Ökologie- bzw. Energiefrage als auch zur sozialen Verteilung. Das Konzept des Grundeinkommens, die Bepreisung der Naturnutzung, der soziale und ökologische Umbau der Steuersysteme, der Vorrang regenerativer Energien, Regulierungen und Verbote rein spekulativer, abstrakter Finanzgeschäfte und vieles andere mehr könnte hier genannt werden. Es fehlt zudem keinesfalls an empirischen, wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass wir dringend einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel brauchen, und es fehlt auch nicht an Vorschlägen für Maßnahmen für einen solchen Wandel.
Was fehlt, ist der politische Wille und entsprechende Umsetzungsschritte. Die ideologischen, materiellen oder politischen Besitzstandswahrer müssen ihre gewohnten Positionen verlassen, um voraussetzungslos an den notwendigen Umbau unserer gesellschaftlichen Systeme und Verhaltensweisen heranzugehen. Dies trifft die Politik genauso wie die Wirtschaft, die Medien ebenso wie alle Bürger. Die Barrieren für die notwendigen Veränderungen liegen letztendlich nicht in ökonomischen oder systemischen Zwängen, sondern bestehen in den Köpfen und Herzen von uns allen.
Die GLS-Bank
„Verluste aus der Finanzkrise: keine“, so ließ sich Thomas Jorberg, Chef der GLS-Bank, Anfang März vom Berliner Tagesspiegel zitieren. Und während die Deutsche Bank Verluste von fast vier Milliarden Euro einräumen musste, war die Bilanzsumme der GLS-Bank um knapp dreißig Prozent gestiegen. Allein 2008 eröffneten rund 7000 Anleger neue Konten. 1974 gegründet, hat die Bank inzwischen 62 000 Kunden.„Die Krise“, so Jorberg im Tagesspiegel, hat dem 1974 gegründeten Institut den „größten Wachstumssprung seiner Geschichte beschert“. Das Personal der Filialen in Hamburg, Frankfurt, Freiburg, Bochum, Stuttgart, München und Berlin wurde um vierzig Personen aufgestockt.
Die 1974 gegründete GLS-Bank finanziert ausschließlich soziale, ökologische und kulturelle Unternehmen und Initiativen mit konkretem realwirtschaftlichen Bezug. Vom Girokonto über sozial-ökologische Geldanlagen bis hin zu Finanzierungen und Vermögensmanagement bietet die GLS-Bank alle Angebote einer modernen Bank.
Transparenz gehört zum Konzept: In der Kundenzeitschrift Bankspiegel werden alle Kredite veröffentlicht. Zusätzlich legt die Bank ihre Eigenanlagen offen.
Böll.Thema Ausgabe 1/2009 - Green New Deal
Wir befinden uns inmitten einer Transformationskrise des Kapitalismus. Im Zentrum steht die Idee eines «Green New Deal», die weltweit als Antwort auf die Doppelkrise von Wirtschaft und Umwelt diskutiert wird. Diese Ausgabe von Böll.Thema leuchtet aus, wie die Weichen in Richtung Zukunft gestellt werden können. mehr»» Dossier: Auf dem Weg zu einem Green New Deal
- Dossier: Wege aus der Weltwirtschaftskrise